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Kraker, Margit (2022): Eine gute Verwaltung ist die Basis für den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfolg eines Staates

Margit Kraker ist seit Juli 2016 Präsidentin des Rechnungshofes Österreich und Generalsekretärin der Internationalen Organisation der Obersten Rechnungs­kontrollbehörden (INTOSAI). Sie studierte an der Universität Graz Rechtswissenschaften und promovierte im Jahr 1983. Nach dem Gerichtsjahr startete sie ihre berufliche Laufbahn als Assistentin am Institut für Öffentliches Recht, Politikwissenschaft und Verwaltungslehre an der Universität Graz. Danach war sie in unterschiedlichen Funktionen auf Landes- und Bundesebene tätig und wirkte dort in Gesetzgebung, Vollziehung und Kontrolle mitBeitrag hier herunterladen.

Die öffentliche Verwaltung hat viele Facetten und beinahe unendliche Möglichkeiten und Aufgaben, die sich aufgrund von aktuellen Ereignissen und Entwicklungen jederzeit ändern können. Wer sowohl in Gesetzgebung, Vollziehung als auch Kontrolle tätig war, lernt nicht nur sehr viele dieser unterschiedlichen Perspektiven kennen, sondern weiß auch um die Herausforderungen, die sich in den einzelnen Bereichen der staatlichen Verwaltung ergeben.

Eine funktionierende öffentliche Verwaltung schafft gute Rahmenbedingungen für die gedeihliche Entwicklung eines Landes. Sie gewährleistet rasche Verfahren und ist in der Lage, flexibel auf neue Herausforderungen zu reagieren. Sie stellt somit die Basis für den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Erfolg eines Staates dar.

Um bestmöglich auf neue Anforderungen und aktuelle Entwicklungen reagieren zu können, müssen staatliche Leistungen regelmäßig nachjustiert und reformiert werden. Die letzten Jahrzehnte waren von einer Vielzahl solcher Reformen im öffentlichen Sektor geprägt – mit einer durchwegs ambivalenten Bilanz. Es gab positive Veränderungen und erfolgreiche Neugestaltungen, genauso wie Kompromisse und unvollständige Vorhaben. So manche Reform wurde erst gar nicht angegangen, obwohl sie wichtig und drängend gewesen wäre.

Die große Mehrheit der Reformen ist sicherlich vom ernsthaften Bemühen der Verantwortlichen getragen, Verbesserungen im Sinne der Bürgerinnen und Bürger zu erzielen. Aber leider sind manche Reformen von Beginn an dadurch geprägt, dass sie nur einer raschen politischen Punktation ohne vertiefte thematische Auseinandersetzung folgen, oder, dass sie nur ein Kompromiss sind. Aus unterschiedlichen Gründen ist politisch in der jeweiligen Situation nicht mehr umsetzbar, wohl wissend, dass eigentlich viel tiefgreifendere Maßnahmen notwendig wären. Oft werden bestimmte Themen auch nur punktuell angegangen, weil politischer Widerstand befürchtet wird, weil man sich nicht „die Finger verbrennen“ möchte oder weil es vor Wahlen nicht opportun wäre, weitreichende Entscheidungen zu treffen. Gewisse Reformen bleiben daher über viele Jahre unvollständig. Natürlich mag schon dies als kleiner Fortschritt betrachtet werden, denn auch durch unvollständige Reformen entsteht Bewegung, die wiederum gedankliche Veränderungen induziert, und daraus kann sich langfristig Neues entwickeln. Somit kommen einige Reformen erst zeitverzögert und schrittweise zur Vollendung, beispielsweise wenn die Stärken und Schwächen der bereits getroffenen Maßnahmen evaluiert und weitere Handlungsbedarfe offengelegt werden.

Prinzipiell wäre es allerdings besser, Reformen vorab zu Ende zu denken und dann gesamthaft umzusetzen. Die Entscheidungsträgerinnen und -träger sollten sich in diesem Fall die notwendige Zeit dafür nehmen, Konsequenzen und Folgen ihres Vorhabens genau abzuschätzen. Allerdings darf sich der Prozess des Abwägens eben auch nicht über Jahrzehnte erstrecken, um auf diese Weise Reformen immer wieder aufzuschieben. Vor allem wenn eine rasche Lösung erforderlich wäre, stößt die Verwaltung oftmals an ihre Grenzen und ist damit konfrontiert, dass manche Herausforderungen bereits äußerst drängend bzw. die Lösungsansätze mangelhaft vorbereitet sind. Die Erfahrung zeigt außerdem, dass gerade in der Abschätzung der Folgen Fehler passieren. Häufig werden vollkommen falsche Annahmen getroffen und wenn im Zuge einer Prüfung des Rechnungshofes auf diese falschen Annahmen hingewiesen wird, werden keine Konsequenzen daraus gezogen.

Um Reformen erfolgreich gestalten zu können, sind umfassendes Wissen und technisches Know-how über das jeweilige Fachgebiet notwendig. Die Verwaltungsstellen müssen dafür Sorge tragen, dass die notwendigen Kenntnisse zur Erstellung von Gesetzesvorlagen und Reformvorschlägen intern vorhanden sind. Gleichzeitig ist es ein Erfordernis, dass die politisch Verantwortlichen die jeweiligen Verwaltungsstellen richtig und rechtzeitig einbinden, damit diese ihre Kompetenz einbringen können.

 

Das notwendige Know-how muss in den Verwaltungsstellen vorhanden sein und von der Politik eingebunden werden.

 

Bei vielen Reformvorhaben treten ähnliche Problemstellungen zutage. Wie bereits erwähnt, fällt immer wieder auf, dass Maßnahmen nur punktuell gesetzt werden und häufig das Gesamtkonzept fehlt. So sind beispielsweise sehr viele durchwegs erfolgreiche Maßnahmen im Bereich der Digitalisierung gesetzt worden. Dennoch fehlt auch hier ein übergreifendes Konzept, wodurch das Potenzial der gesetzten Maßnahmen nicht zur Gänze ausgeschöpft werden kann.

Eine weitere Herausforderung betrifft die unzureichende Klärung von Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten. Bei vielen Reformen fehlt es an stringenten Vorstellungen, wie Verantwortlichkeiten nach der Implementierung im Detail geregelt sein sollen, wie Entscheidungen zustande kommen sollen und wer diese umsetzen soll. In einer Krise werden diese Unschärfen dann augenscheinlich, wenn plötzlich niemand oder jede/r in irgendeiner Form zuständig ist. Angesichts der Erfahrungen der jüngsten Jahre wird es in Zukunft wieder notwendig sein, stärker auf Zuständigkeiten und die Einhaltung der Rollenverteilung zu achten.

 

Es wird notwendig sein, wieder stärker auf Zuständigkeiten zu achten.

 

Ein weiterer Trend, der aktuell viele ungeklärte Fragen aufwirft, betrifft die Ausgliederung von Gesellschaften und deren Tochtergesellschaften. Hier sind Entwicklungen zu erkennen, bei denen die Grenzen zwischen Staat und Privatwirtschaft verschwimmen – und damit auch die Zuständigkeitsgrenzen von politischer Verantwortung, Steuerung und Kontrolle. Diese Tendenz muss im Auge behalten werden, um die richtigen Schlüsse zu ziehen, denn die Rücknahme einer solchen Entwicklung ist oftmals sehr schwer. Privatwirtschaftliche Lösungen sollten nur dort gewählt werden, wo eine Gesellschaft auch tatsächlich am Markt tätig ist oder nachvollziehbare Gründe für die Wahl einer privatwirtschaftlichen Rechtsform vorhanden sind. Dort, wo die Leistungen genauso gut innerhalb der öffentlichen Verwaltung erbracht werden könnten, sollte man mit der Gründung von Gesellschaften sehr zurückhaltend sein. Jedenfalls muss genau analysiert werden, welche Aufgaben dauerhaft ausgegliedert werden sollen und in welcher Form diese Ausgliederung erfolgen soll. Immerhin gehen damit auch demokratie- und budgetpolitische Folgen einher.

Damit ist auch die übergeordnete Fragestellung verbunden, was eigentlich die Kernaufgaben des Staates bzw. seiner Verwaltungseinheiten sind. Die Schaffung von Wohnraum mag zum Beispiel Aufgabe der Länder im Bereich der Wohnbauförderung bzw. der Gemeinden sein, aber fällt hier auch die Entwicklung von Luxusimmobilien durch den Bund selbst darunter? Im Wege von zu diesem Zweck gegründeten Tochtergesellschaften werden womöglich die Zuständigkeitsgrenzen innerhalb des Staates überschritten. Was ist Aufgabe des Bundes, was Aufgabe der Länder oder Gemeinden? Wie erfüllen wir die Aufgaben richtig und effizient? Und was geht darüber hinaus und entzieht sich der staatlichen Kontroll- und Steuerungsfunktion? Letztlich muss es immer einen inhaltlichen, strategischen Beweggrund geben, warum ein Staat Anteile an einer privatwirtschaftlichen Gesellschaft hält. Solange dieser Grund vorhanden ist, muss auch eine staatliche Kontrolle etwa durch den Rechnungshof gewährleistet sein. Sobald dieses Motiv entfällt, ist auch der Staatsanteil nicht mehr zu rechtfertigen.

Die größte Herausforderung in den kommenden Jahren wird es sein, jene Reformen umzusetzen, die immer wieder aufgeschoben wurden, etwa die Pflegereform oder die Pensionsreform. Außerdem wird die öffentliche Verwaltung für sich selbst klären müssen, welche neuen Aufgaben sie übernimmt und welche Aufgaben sie heutzutage nicht mehr erfüllen muss (siehe oben). In dieser Frage ist aktuell sehr viel Bewegung vorhanden. Im Personalbereich zeichnet sich ab, dass die öffentliche Verwaltung immer schwerer zu qualifiziertem Personal kommt. Das ist insofern problematisch, als die Verwaltung vielleicht nicht mehr so viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wie früher benötigt, dafür aber umso besser qualifiziertes Personal.

Gewisse wiederkehrende Problemzonen lassen sich auch aus den Prüfungstätigkeiten des Rechnungshofes ableiten. Dazu zählt insbesondere die richtige Anwendung des Vergaberechts, welche zahlreiche kleinere und größere öffentliche Institutionen vor große Herausforderungen stellt. Ein weiterer Kritikpunkt bezieht sich auf die Einbindung von externen Beraterinnen und Beratern, die eigentlich nur punktuell erfolgen sollte, sich stattdessen aber in vielen öffentlichen Einrichtungen zu einem exzessiven Dauerzustand entwickelt hat. Expertise, die fortlaufend benötigt wird, sollte jedoch intern aufgebaut werden. Außerdem fällt auf, dass bestimmte Management-Tools nicht richtig angewandt werden, wodurch sie ihre Wirkung nicht entfalten können. Und zu guter Letzt sollten die vom Rechnungshof ausgesprochenen Empfehlungen und lessons learned berücksichtigt werden. Es ist nämlich mitunter durchaus frustrierend, dass sich gewisse Dinge wiederholt nicht verbessern.

 

Wenn eine Verwaltung objektiv und kompetent ist, dann gibt es die wenigsten Probleme.

 

Bei aller vorgetragenen Kritik muss aber auch betont werden, dass die öffentliche Verwaltung in sehr vielen Fällen hervorragend funktioniert und sehr gute Leistungen erbringt. Angesichts der aktuellen Herausforderungen wird eine handlungsfähige und kompetente Verwaltung in Zukunft jedoch noch wichtiger sein. Die Qualität der Verwaltungsleistungen wird für die weitere Entwicklung unseres Landes ausschlaggebend sein.

Zur Entstehung dieses Beitrags: Dieser Beitrag basiert auf einem Interview mit Margit Kraker, das im Februar 2022 per Videokonferenz durchgeführt wurde. Der Inhalt dieses Gesprächs wurde zusammengefasst und anschließend gemeinsam mit der Gesprächspartnerin redigiert. Die Inhalte geben ausschließlich die Meinung der Interviewpartnerin wieder.

Kontakt

Assoz. Prof. Mag. Dr.rer.soc.oec.

Robert Rybnicek

Institut für Unternehmensführung und Entrepreneurship

Telefon:+43 316 380 - 7355


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